Zehn Jahre Arbeitskampf bei Amazon

»We Never Give Up«: Der Kampf geht weiter bis zum Tarifvertrag
12.05.2023
We Never Give Up - 10 Jahre Arbeitskampf bei Amazon

10. Mai 2023. »We Never Give Up« – Wir geben niemals auf. Unter diesem Motto begehen die Beschäftigten bei Amazon in  diesen Tagen den zehnten Jahrestag des Beginns ihres Arbeitskampfes.

Am frühen Morgen des 14. Mai 2013, einem Dienstag, hatten insgesamt 1.700 Kolleginnen und Kollegen in Bad Hersfeld und  Leipzig zum ersten Mal die Arbeit niedergelegt, um ihrer Forderung nach Abschluss eines Tarifvertrages Nachdruck zu verleihen.  ver.di fordert vom Konzern die Anerkennung der Flächentarifverträge des Einzel- und Versandhandels. Ebenso wie die etwas später hinzugekommene Forderung nach einem Tarifvertrag Gute und Gesunde Arbeit ist dieses Ziel bis heute nicht  erreicht.

Doch die Erfolge können sich trotzdem sehen lassen. 2013 hatte der damalige Deutschland-Chef des Onlinehändlers, Ralf  Kleber, ver.di noch vorgeworfen, mit der Tarifforderung »überzogene Erwartungen geschürt« zu haben. Doch seither sah sich  Amazon gezwungen, praktisch jährlich die Einkommen der Beschäftigten zu erhöhen, so dass zumindest die Stundenlöhne nicht  mehr weit von den Tarifgehältern entfernt sind. Das ist das Ergebnis des unermüdlichen Streitens Tausender Kolleginnen und  Kollegen.

Seit dem Auftakt vor zehn Jahren gab es für Amazon keine Ruhe mehr. Ohne Pause wurde und wird der Konzern mit Streiks,  Kampagnen und Aktionen unter Druck gesetzt. In den Medien wurde über die miserablen Arbeitsbedingungen, Überwachung der Kolleginnen und Kollegen, Schikanen gegen aktive Gewerkschafter und Betriebsräte berichtet. Selbst während der Pandemie,  als die Kampfbedingungen besonders kompliziert waren, gingen die Streiks weiter. Da Streikversammlungen mit tausenden Beschäftigten nicht möglich waren, versammelte man sich in den eigenen Fahrzeugen – »Streikkundgebung im Autokinoformat«. Weil Demos schwierig waren, gab es Autokorsos. Und das war notwendig, denn während der Konzern  Rekordgewinne einfuhr, beeilte er sich nicht, die Kolleginnen und Kollegen vor dem Coronavirus zu schützen. Ansteckungswellen  in einigen Fulfillment Centern waren die Folge, vom Konzern nach Möglichkeit unter die Decke gekehrt. »Die jüngsten  Medienberichte etwa über das Verbot von FFP2-Masken bei Amazon in Winsen/Luhe zeigen einmal mehr, wie notwendig  verbindliche Regelungen bei Amazon sind«, erklärte ver.di im Mai 2021, als sieben Versandzentren gleichzeitig die Arbeit  niederlegten.

 

Zugleich hielten wir auch in dieser Zeit an den Tarifforderungen fest: »Weder Einmalzahlungen, Corona- und Streikbruchprämien  oder die Ausgabe einzelner Aktien sind ein Ersatz für existenzsichernde Tariflöhne.« Das gilt auch heute noch. Insbesondere die Kolleginnen und Kollegen in den untersten Gehaltsstufen verdienen noch immer spürbar  weniger als Beschäftigte in tarifgebundenen Handelsbetrieben – die Differenz beträgt auf das Jahr gerechnet mehrere  tausend Euro. Urlaubsgeld, wie es für Tarifbeschäftigte üblich ist, gibt es bei Amazon bislang nicht – und auch das  Weihnachtsgeld ist knapp bemessen. Die Wochenarbeitszeiten allerdings liegen noch über, die Zahl der Urlaubstage unter den Festlegungen in den Tarifverträgen.

Doch die Kraft ist gewachsen und wächst weiter. Inzwischen ist ver.di bei Amazon so stark wie nie zuvor. In praktisch allen  Fulfillment Centern arbeiten Betriebsräte – auch das war vor zehn Jahren noch undenkbar. Die Vernetzung der Beschäftigten  und ihrer Gewerkschaften hat längst die nationalen Grenzen überschritten: Koordiniert von der internationalen  Dienstleistungsgewerkschaft UNI Global Union beraten die bei Amazon aktiven Gewerkschaften regelmäßig über gemeinsame  Strategien und Aktionen.

 

Internationale Solidarität zum Jahrestag

 

Ein Ergebnis ist der jährliche »Amazon Pay Day« im November, mit dem der  Konsumrausch zum »Black Friday« kritisch  begleitet wird. Im vergangenen Jahr streikten an diesem Tag in Deutschland zehn Fulfillment Center gleichzeitig und zugleich  die Kolleginnen und Kollegen in Frankreich und den USA. Die britischen Beschäftigten, die damals noch nicht dabei sein konnten, haben sich seit Jahresbeginn 2023 ebenfalls in die internationale Streikfront eingereiht. Und auch die Kolleginnen und Kollegen selbst haben sich organisiert und die »Amazon Workers International« gegründet.

Der Kampf bei Amazon geht weiter – We Never Give Up!

 
Internationaler Amazon-Streik am Black Friday 2022, hier in Graben
© Hubert Thiermeyer
Streik am 25. November 2022 bei Amazon in Bad Hersfeld
© Andreas Gangl
Aktiver Wahlkampf vor dem Amazon-Standort Achim im April 2022
© Tobias Uelschen / ver.di Bremen-Nordniedersachsen
Streikposten vor Amazon in Koblenz demonstrieren am 24. November 2021 ihre Solidarität mit einer von Amazon in Polen entlassenen Gewerkschafterin
© Amazon Workers International
Christian Krähling
© Andreas Gangl
Aktionswoche „Gesundheit vor Profit“ Rheinberg
© ver.di FB12
Streikposten am 26. November 2020 vor Amazon in Bad Hersfeld
© Andreas Gangl