Menschenleben vor Profite!

Trauer um Opfer der Tornados in den USA. Sechs Beschäftigte von Amazon getötet. Kritik an Sicherheitsmaßnahmen des Konzerns
15.12.2021
Tornados haben eine unvorstellbar zerstörerische Kraft

15. Dezember 2021. Mindestens 88 Menschen sind am vergangenen Wochenende in den USA getötet worden, als mehrere Tornados über einige Bundesstaaten im Süden und im Zentrum des Landes hinwegzogen. Sechs von ihnen starben in einem Sortierzentrum des Handelsunternehmens Amazon in Edwardsville,Illinois, das während der Nachtschicht von dem Unwetter getroffen wurde und teilweise einstürzte.

Offenbar haben die Geschäftspraktiken des Konzern die Katastrophe noch verschlimmert und die Rettungsarbeiten erschwert. Wie die New York Times berichtete, war zunächst völlig unklar, wie viele Menschen zum Zeitpunkt des Unwetters in der Lagerhalle gearbeitet hätten. In Edwardsville waren nach Behördenangaben nur sieben Menschen fest in Vollzeit angestellt – doch allein während der Katastrophennacht waren wohl mehr als 50 Menschen dort tätig. Rund 250.000 Menschen arbeiten in den USA als Fahrer für Amazon – doch fast niemand von ihnen ist bei dem Großkonzern angestellt. Sie arbeiten offiziell für einen von 3000 Subunternehmern. Für den Konzern hat das den Vorteil, dass er sich praktisch nicht um die soziale Absicherung und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten kümmern muss.

 
Nachricht des Amazon-Angestellten Larry Virden an seine Frau, 10. Dezember 2021

Weitere Vorschriften von Amazon haben wohl ebenfalls zu dem Ausmaß der Katastrophe beigetragen. So verbietet das Unternehmen den Beschäftigten, Mobiltelefone mit an den Arbeitsplatz zu nehmen. Deshalb erreichten die Warnungen der Behörden die Menschen in dem Sortierzentrum nicht, sie wurden erst von einem Fahrer informiert, der beim Losfahren das Unwetter bemerkte und schnell umkehrte. Trotzdem verbot es das Unternehmen den Angestellten offenbar, die Arbeit einzustellen und sich in Sicherheit zu bringen. Das legt ein in den sozialen Medien kursierender Auszug aus Nachrichten eines später getöteten Amazon-Angestellten nahe.

Der Vorsitzende der für Amazon zuständigen Gewerkschaft RWDSU, Stuart Appelbaum, warf dem Unternehmen in einer ersten Stellungnahme vor, die eigenen Bilanzen über das Leben der Beschäftigten zu stellen. „Von den Arbeitern zu verlangen, trotz einer großen Tornadowarnung weiterzuarbeiten, ist nicht entschuldbar. Dies ist ein weiteres wütend machendes Beispiel dafür, wie das Unternehmen Profite über die Gesundheit und Sicherheit der Arbeiter setzt. Wir dürfen nicht länger hinnehmen, dass Amazon das Leben von hart arbeitenden Menschen aufs Spiel setzt. Unsere Gewerkschaft wird keine Ruhe geben, bis Amazon für diese und so viele weitere gefährliche Praktiken zur Rechenschaft gezogen wird.“

 

Amazon muss für diese und so viele weitere gefährliche Praktiken zur Rechenschaft gezogen werden

Stuart Appelbaum, Vorsitzender der Gewerkschaft RWDSU

Orhan Akman, ver.di-Bundesfachgruppenleiter Einzel- und Versandhandel und bei der Dienstleistungsgewerkschaft in Deutschland für Amazon zuständig, sprach den US-amerikanischen Kolleginnen und Kollegen angesichts der verheerenden Schäden der Tornados sein tiefes Mitgefühl aus. „Unsere Gedanken sind besonders bei den Beschäftigten von Amazon in Edwardsville, die durch das Unwetter getötet und verletzt wurden, und bei ihren Angehörigen.

Die Berichte, die wir aus den USA erhalten, legen nahe, dass Amazon durch seine Konzernpolitik die Katastrophe verschärft und die Rettungsarbeiten erschwert hat. Wir verurteilen, dass bei Amazon einmal mehr Profitstreben über Menschenleben gesetzt wurde. Ob in den USA, in Deutschland oder anderswo auf der Welt, bei Amazon und in jedem anderen Unternehmen muss klar sein: Konzerngewinne sind nur Zahlen, aber Menschenleben sind unersetzlich!“

ver.di fordert von Amazon in Deutschland unter anderem den Abschluss eines Tarifvertrages Gute und Gesunde Arbeit, in dem der Schutz der Beschäftigten verbindlich festgeschrieben wird.