30. September 2022. Empört und wütend haben die Beschäftigten bei Amazon auf die einseitigen Lohnanpassungen durch die Konzernleitung reagiert. An mehreren Standorten legten sie die Arbeit nieder und forderten das Unternehmen auf, endlich die Tarifverträge des Einzel- und Versandhandels anzuerkennen, anstatt in Gutsherrenart einseitig Löhne und Arbeitsbedingungen festzulegen.
„Das neueste Beispiel ist bezeichnend“, sagt der für die Standorte Werne und Dortmund zuständige Gewerkschaftssekretär Philip Keens. „Bei einer Inflation von zuletzt 7,9 Prozent im August, dazu die steigenden Heiz- und Strompreise, diktiert Amazon seinen Beschäftigten am Standort Werne eine Entgelterhöhung von 3,8 Prozent. Dabei hat der Onlineriese seinen Umsatz im letzten Jahr um 26 Prozent gesteigert. Die Beschäftigten sind stinksauer. Viele wissen nicht einmal mehr, wie sie den Weg zur Arbeit finanzieren sollen.“ Die Beschäftigten der beiden Fulfillment Center traten am 14. September in den Streik, damit Amazon endlich an den Verhandlungstisch kommt.
„Amazon sieht sich offenbar nicht in der Verantwortung. Das zeigt sich an den aktuellen Plänen des Konzerns, die bisherigen Prämienzahlungen abzuschaffen und in die regulären Gehälter zu integrieren, wie es bereits am Standort Dortmund umgesetzt wird. In Dortmund wurden die Entgelte um durchschnittlich 10 Prozent erhöht. Klingt gut, aber darin enthalten ist der bisher ohnehin gezahlte Boni von 6,9 Prozent. Dies als echte Entgelterhöhung zu verkaufen, ist Augenwischerei,“ sagt Silke Zimmer, Landesfachbereichsleiterin ver.di Handel NRW. „Grundsätzlich begrüßen wir die Abschaffung von Prämienzahlungen, die unter anderem darauf abzielen, die Streikbereitschaft der Beschäftigten zu vermindern. Nichtsdestotrotz bleiben alle Entgelterhöhungen ohne die Absicherung eines Tarifvertrags Almosen.“
Am 27. September legten die Beschäftigten in Graben die Arbeit nieder. „Amazon gehört zu den erfolgreichsten Unternehmen weltweit, mit der aggressiven Marktstrategie wird kontinuierlich der Verdrängungswettbewerb und Vermögenswachstum vorangetrieben. Das milliardenschwere Vermögen vom Amazon-Gründer Jeff Bezos, dem viertreichsten Mann der Welt, kann man mit „guten und gesunden Arbeitsbedingungen“ nicht verdienen. Dieses Vermögen wurde durch die Beschäftigten unter katastrophalen Arbeitsbedingungen erarbeitet. Des einen Reichtum ist der anderen Armut“, sagt die dortige ver.di-Streikleiterin Sylwia Lech. „Die Beschäftigten bei Amazon sind genau diejenigen, die jetzt durch die steigende Inflationsrate sich noch weniger leisten können und im Alter von der Altersarmut betroffen sind. Amazon verweigert nach wie vor Tarifverhandlungen und setzt lieber auf einseitige Lohnerhöhungswillkür. Diese Unternehmensvorgehensweise ist schon frech. Höhere Einkommen z.B. auch durch tarifliche Zuschlagszahlungen, Urlaubs- und Weihnachtsgeld sind für die Amazonbeschäftigten heute schon von Bedeutung. Zentral ist, dass solche tarifvertraglichen Leistungen verbindlich werden und damit ein wichtiger Schritt gegen die drohende Altersarmut sind “, so Lech weiter.
Zum ersten Mal überhaupt traten am 14. September die Kolleginnen und Kollegen in Winsen (Luhe) bei Hamburg in den Streik. Rund 200 Beschäftigte beteiligten sich am ersten Arbeitskampf am Standort. „Das war unser erster Streik und die Stimmung war beeindruckend. Wir werden in Zukunft mit unserer Gewerkschaft weiter für bessere Arbeitsbedingungen und gute Löhne kämpfen! Daran gibt es keinen Zweifel“, kommentierte eine aktive Gewerkschafterin.
„Wir streiken, weil Amazon eine Lohnanpassung vorgenommen hat, die viel zu niedrig ist. Wir müssen bei einer Inflation von über acht Prozent weiter unsere Miete, Lebensmittel und Heizkosten zahlen. Amazon zahlt jetzt drei Pozent mehr, ohne mit der Gewerkschaft darüber zu verhandeln. Das reicht uns nicht“, sagt ver.di-Vertrauensfrau Entisar Mennerich. Gewerkschaftssekretär Nonni Morisse ergänzt: „Bei den steigenden Preisen sind die Lohnanpassungen bei Amazon leider ein Witz. Wer eine Alternative zu Amazon hat, verlässt im Moment das Unternehmen. Alle anderen sind wütend und legen nun die Arbeit nieder.“
Hedi Tounsi, ebenfalls ver.di Vertrauensmann in Winsen unterstreicht: „Wir streiken jetzt wegen des Geldes, weil es dringend ist. Uns geht es aber nicht nur um eine bessere Bezahlung. Wir wollen auch gesündere Arbeit. Vielen Kolleg*innen arbeiten unter Schmerzen. Wir kämpfen einfach für mehr Respekt und Würde bei der Arbeit. Das fehlt uns bei Amazon oft.“