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Eine glatte 6 für Aldi Nord

Eine glatte 6 für Aldi Nord

Aggressiv gegen Streikrecht und echte Mitbestimmung
Aldi Nord Aldi Süd Logo sharafmaksumov, Bild-ID #206431436, Depositphotos.com Aldi Nord unterläuft seit Jahren Mitbestimmungsrechte

 

27. September 2021. In seinem Leitbild „Einfach Aldi“ ist das Unternehmen ein verantwortungsvoller und solider Arbeitgeber – doch davon kann keine Rede sein. Die Belege für die Gewerkschaftsfeindlichkeit des Discountriesen und für seine tiefe Abneigung gegen konsequente Betriebsräte häufen sich seit Jahren.

„Die Demokratie soll weiterhin vor dem Lager und vor der Filiale enden, doch das ist unsozial und für uns völlig inakzeptabel.“

Orhan Akman

Zuletzt sorgte im August der massive Einsatz von Streikbrechern in der Niederlassung Horst (Schleswig-Holstein) für Negativschlagzeilen und Unmut. Der überwiegend aus anderen Aldi-Gesellschaften zusammengestellte Trupp sollte eine mehrtägige Arbeitsniederlegung im Rahmen der Tarifrunde Einzelhandel ins Leere laufen lassen. „Aldi zeigt einmal mehr sein wahres Gesicht, es geht ihnen nur um maximalen Profit“, so Orhan Akman, ver.di-Bundesfachgruppenleiter Einzelhandel. „Die Demokratie soll weiterhin vor dem Lager und vor der Filiale enden, doch das ist unsozial und für uns völlig inakzeptabel.“

Vor dem Lager in Horst machte Streikposten Jens Glissmann – seit 33 Jahren bei Aldi – seinem Ärger Luft und wünschte der Geschäftsleitung „Blitz und Donner“. Anlass für seine deutlichen Worte: Die Niederlassung samt Lager, Fuhrpark und Verwaltung wird zum 31. Dezember 2021 geschlossen, über 200 Arbeitsplätze fallen weg. Jeder sollte sich selbst um einen neuen Job bei Aldi kümmern, wurde den Betroffenen gesagt. Man könne da als Geschäftsleitung nichts machen, schließlich seien die anderen Aldi-Gesellschaften rechtlich selbstständig. 

„In diesem Fall, in dem wir hier streiken, wurde in den Nachbargesellschaften angerufen und um Streikbrecher gebeten, die hier ja in großer Anzahl erschienen sind“, schildert Jens Glissmann den skandalösen Widerspruch. Er ist stinksauer: „Einfach Aldi, oder wie nennt man das?“

„Wer in diesem Unternehmen mitbestimmen und nicht nur im Büro herumsitzen möchte, für den wird es echt schwierig. Die wollen einen Placebo-Betriebsrat, der es hinnimmt, dass die Mitbestimmungsrechte laufend untergraben werden.“

Torsten F.

Es ist dabei geblieben: „Wir lassen uns nicht einschüchtern“

Auch zwei unternehmensweit bekannte Betriebsratsvorsitzende sind sich einig in der glasklaren Beurteilung ihres Arbeitgebers: „Von mir bekommt Aldi Nord eine glatte Sechs“, meint Torsten F. aus Horst, dem Schauplatz des Streiks in Schleswig-Holstein. „Wer in diesem Unternehmen mitbestimmen und nicht nur im Büro herumsitzen möchte, für den wird es echt schwierig. Die wollen einen Placebo-Betriebsrat, der es hinnimmt, dass die Mitbestimmungsrechte laufend untergraben werden.“ 

Diese Erfahrung teilt Uli Kring aus Bad Laasphe in Nordrhein-Westfalen. Richtig übel wurde es für ihn, als 2019 einige Filialleiter in seiner Betriebsratsregion eine Diffamierungskampagne lostraten. ver.di startete daraufhin eine Solidaritätskampagne und die Delegierten des ver.di-Bundeskongresses protestierten lautstark. „Wir lassen uns nicht einschüchtern“, sagte Uli Kring damals und dabei ist es geblieben. Seine Bilanz: „Aldi will als supertoller, sozial eingestellter Arbeitgeber erscheinen, ist es aber nicht.“

In Bad Laasphe wird die Niederlassung ebenfalls zum Jahresende geschlossen, etwa 160 Beschäftigte verlieren dort ihren Arbeitsplatz. Für sie wurden wie in Horst ein Sozialplan und Interessenausgleich inklusive Abfindungen ausgehandelt. Zusätzlich gibt es noch die Möglichkeit, für bis zu 12 Monate in eine Transfergesellschaft zu wechseln. 

Das Beispiel der „gallischen Dörfer“ soll weiter wirken

Wie bei den anderen Schließungen werden die jetzt Bad Laasphe zugeordneten Filialen samt der Belegschaften auf benachbarte Aldi-Regionen übertragen. Ende 2021 wird es nur noch 25 regionale Aldi-Gesellschaften geben. Als die Straffung der Regionalstrukturen im Jahr 2017 begann, um auch in diesem Bereich die Kosten zu drücken, waren es 35. 

Bei zwei Aldi-Regionen – Bad Laasphe und Horst – trifft es „gallische Dörfer“, wie es die „Süddeutsche Zeitung“ treffend formuliert hat. Dort haben die beiden von den ver.di-Mitgliedern Uli Kring und Torsten F. geleiteten Betriebsräte bis jetzt die Zustimmung zu einem neuen Arbeitszeit- und Vergütungsmodell verweigert, das u.a. die faktische Aufgabe der Mitbestimmungsrechte bei Mehrarbeit und Arbeitszeitgestaltung bedeutet. Sie lehnen auch neue Arbeitsverträge mit erheblich schlechteren Bedingungen ab.

Ursprünglich waren es mehr als die Hälfte der 35 Betriebsräte, die diese Position teilten. Die meisten von ihnen wurden durch erpresserischen Druck – Androhung von Auslagerungen und Filialschließungen sowie Verleumdungen – zur Unterschrift unter die Aldi-genehmen Betriebsvereinbarungen genötigt. Bis auf die gallischen Dörfer Bad Laasphe und Horst, die es bald nicht mehr geben wird. Sie bleiben Beispiele für Zivilcourage gegen die unsoziale Unternehmensführung bei Aldi, die auch in Zukunft stärkere gewerkschaftliche Organisierung und Widerstand erfordern wird.

Andreas Hamann


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