Eigentlich überrascht es nicht wirklich: Die Geschäftsleitung von Aldi Nord erzählt gerne, dass sie sich vom Wohl ihrer Angestellten leiten lässt, handelt aber krass gegenteilig.
Auffällig und skandalös ist das Ausmaß an Einschüchterungs-versuchen, die seit einiger Zeit zu beobachten sind.
Überall sollen neue Arbeitsverträge und neue Betriebsvereinbarun-gen durchgeboxt werden, bei denen die Beschäftigten in vielen Punkten schlechter abschneiden und wichtige Mitbestimmungsrechte auf der Strecke bleiben. Immer wieder scheint Erpressung angesagt zu sein.
Aus dem knapp halben Dutzend Aldi-Gesellschaften, wo die Betriebsräte konsequent dagegenhalten, wird von einem zunehmenden Druck seitens der regionalen Geschäftsführungen berichtet.
ver.di protestiert scharf gegen ein solches Verhalten und unterstützt solidarisch die betrieblichen Interessenvertretungen, die vor Ort mit viel Zivilcourage für die Belange der Belegschaften eintreten.
In den meisten Regionalgesellschaften hat Aldi durch den vorauseilenden Gehorsam von Betriebsratsmehrheiten aus dem Dunstkreis der extrem arbeitgeberfreundlichen AUB oder durch Einsatz massiver Drohungen – Abgabe von Teilen des Filialnetzes, Investitionsstopp, Standortschließungen etc.– sein Ziel erreicht. Der Arbeitgeber tritt demokratische Rechte mit Füßen und führt neue Regelungen ein, die zum Teil gesetzes- und tarifwidrig sind.
All dies geschieht unter dem Vorwand eines besseren Arbeitszeit- und Vergütungssystems. Wegfallen sollen die Aldi-typischen "bis-zu- Zeiten", was zu begrüßen ist – ansonsten aber will sich Aldi Nord einen Freifahrtschein für den hochflexiblen und willkürlichen Einsatz von Mehrarbeit besorgen.
Der pauschale Verzicht auf betriebliche Mitbestimmung unter anderem in Arbeitszeitfragen ist in einer Betriebsvereinbarung festgeklopft, die sich überall fast bis aufs Haar gleicht, aber zum Glück noch nicht überall unterschrieben ist.
Zusammen mit vielen Betriebsräten fordert ver.di seit langem, dass die Arbeitszeiten minutengenau elektronisch erfasst werden. Der Arbeitgeber hat sich dem immer widersetzt. Jetzt hat sich der Wind gedreht, eine elektronische Zeiterfassung soll her.
Doch die Begleitumstände lassen den dringenden Verdacht aufkommen, dass Aldi Nord seine Beschäftigten auf ganzer Linie über den Tisch ziehen will.
ver.di fordert eine echte Zeiterfassung, mit der die "grauen Überstunden" ein Ende haben. Eine wirksame Mitbestimmung des Betriebsrates muss Schlupflöcher schließen. Denn auch mit dem neuen Modell ist es möglich, die Zeiterfassung so zu gestalten, dass die Stundenvorgaben zum Umsatz "passen" – zu Lasten der Beschäftigten.
Arbeitszeit, die vor dem eigentlich geplanten Beginn bzw. nach Ende der geplanten Arbeitszeit geleistet wurde, kann spätestens bis zum nächsten Tag im System als solche nachgetragen werden. Genauso Pausenminuten, die nicht genommen werden konnten. Geschieht das nicht, gilt die "Personaleinteilung".
Im Klartext: Wenn nicht auf eine Korrektur gedrängt wird, fallen viele Zeiten voraussichtlich wie gehabt unter den Tisch…
Außerdem ist die Einführung der elektronischen Zeiterfassung daran geknüpft, dass ein erheblicher Teil der Belegschaft die neuen Arbeitsverträge unterschreibt. Das ist eine Vorbedingung, die aber mit einem neuen Arbeitszeitsystem überhaupt nichts zu tun hat. Der Hintergrund ist offenkundig ein anderer.
In den bisherigen Arbeitsverträgen ist verbindlich festgeschrieben, dass die Bezahlung nach den jeweils gültigen Tarifverträgen für den Einzelhandel erfolgt. Die Beschäftigten haben einen Anspruch auf die Tarifleistungen mit allen Erhöhungen, solange sie im Unternehmen
arbeiten.
Geregelt sind dort auch die Rechtsgrundlagen der übertariflichen Leistungen, die es bei Aldi Nord gibt. Doch der Arbeitgeber will sich einen großen Spielraum für Verschlechterungen verschaffen.
Die übertariflichen Bestandteile – Aldi-Zulage statt wie bisher Verkaufsprämie usw. – sollen künftig nur noch in einer "Betriebsvereinbarung über die Arbeitszeit und die übertarifliche Vergütung" festgehalten werden, wenn es nach dem Arbeitgeber geht.
Aldi will die Betriebsvereinbarung für zehn Jahre abschließen. Doch eine Nachwirkung der Betriebsvereinbarung lehnt Aldi ab. Ist die nur scheinbar lange Laufzeit vorbei, kann die übertarifliche Bezahlung ganz schnell weg sein.
Die neuen Arbeitsverträge bedeuten schon deshalb eine Verschlechterung, weil die Voraussetzung für einen möglichen Tarifausstieg geschaffen wird. Entscheidend ist die neue Formulierung, der Verweis auf die Tarifverträge gelte "nur solange der Arbeitgeber tarifgebunden ist".
Bei einem Tarifausstieg gibt es keinen Anspruch mehr auf Erhöhungen, die tarifliche Bezahlung wird dauerhaft eingefroren. Im schlimmsten Fall könnte Aldi Nord mit einer Pseudogewerkschaft vom Schlage des DHV einen sehr viel billigeren Haustarifvertrag abschließen.
Als Einsatzort soll in den neuen Arbeitsverträgen auch keine Stammfiliale mehr festgelegt werden, sondern ein weitläufiges "Einsatzgebiet". Aldi bastelt auch hier an Modellen, um Beschäftigte hin- und herschieben zu können, ohne auf soziale Aspekte Rücksicht nehmen zu müssen.
Mit der Betriebsvereinbarung sollen auch Arbeitszeitkonten eingeführt werden. Damit will sich Aldi Nord einen ständigen Arbeitszeitpuffer verschaffen, über den nach Lust und Laune verfügt werden könnte. Mehrarbeit soll danach keine Ausnahme, sondern pauschal genehmigter Dauerzustand sein.
Das Aldi-Management hat einen Cocktail gemixt, in dem die gut schmeckenden Aromen von vielen bitteren Inhaltsstoffen überdeckt werden – eigentlich ungenießbar.
Lasst euch das nicht gefallen: Es gibt viele gute Gründe, die neuen Arbeitsverträge nicht zu akzeptieren und auch die Entwürfe der "Betriebsvereinbarung über die Arbeitszeit und die übertarifliche Vergütung" in der von Aldi gewollten Form nicht zu unterschreiben.
Niemand muss einen neuen Arbeitsvertrag unterschreiben! Schließt euch zusammen, lasst euch nicht als Kolleginnen und Kollegen gegeneinander ausspielen, haltet zu eurem Betriebsrat!
Wir empfehlen außerdem dringend, jetzt ver.di-Mitglied zu werden. Das garantiert den Anspruch auf sofortige Rechtsberatung sowie nach drei Monaten auf eine Kostenübernahme, falls es zu arbeitsrechtlichen Konflikten kommt.
Beitrittsformular, ein Poster zum Aushang sowie unsere Infos für die Beschäftigten bei Aldi Nord gibt es auf der rechten Seite als kompaktes PDF zum Download!
Das Betriebsverfassungsgesetz ist kein billiges Stück Papier, mit dem das Unternehmen Aldi Nord unter Ausschluss der Öffentlichkeit machen kann, was es will.
Zusammen mit dem Betriebsrat eurer Regionalgesellschaft engagiert sich ver.di auch in Zukunft dafür, dass die demokratischen und vom Gesetz vorgesehenen Mitbestimmungsrechte im Betrieb nicht beschnitten, sondern ausgebaut werden.
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