Aldi

Dauerskandal schürt Unmut und Enttäuschung

Aldi

Dauerskandal schürt Unmut und Enttäuschung

Welche Strategie verfolgen AUB und Co? Eine ver.di-Analyse

Wenn eine Arbeitnehmervereinigung über Jahre hinweg heimlich von mindestens zwei großen deutschen Unternehmen finanziell unterstützt worden ist und dies ans Licht kommt, stellen sich viele Fragen.

ALDI-Filliale mit Einkaufswagen dpa - Bildfunk Aldi-Filiale  – Wo dieses Zeichen prangt, könnte die AUB im Gewand der Arbeitgeber-Interessenvertretung ein böses Spiel treiben...

Zwei der wichtigsten: Wie sahen die Gegenleistungen der Begünstigten aus und an welchem Tropf hingen oder hängen sie womöglich noch heute?

„Die AUB ist gewachsen, wir sind ,gut im Geschäft‘ und das mit steigender Tendenz“, gab Wilhelm Schelsky als Vorsitzender der „Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger“ dem Verein für 2007 mit auf den Weg. Nur sechs Wochen später saß er in U-Haft und vielen bisher ahnungslosen Mitgliedern tun sich seither immer neue Abgründe auf.

Millionenspritzen für die „Unabhängigen“

Die Fakten: Außer dem Siemens-Konzern hat auch der Discounter Aldi Nord Aktivitäten der AUB mit großen Geldsummen finanziert, um einen „pflegeleichten“ Gegenentwurf zu den DGB-Gewerkschaften ver.di und IG Metall zu bilden.

Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ steht bisher fest, dass bis zu 60 Millionen Euro von Siemens an eine von Schelsky betriebene Unternehmensberatung geflossen sind. Er sei beauftragt worden, mit dem Geld den Aufbau der AUB zu fördern, so sein Anwalt Jürgen Lubojanski. Dazu Schelsky selbst: „Ich sollte mit dem Geld eine Dachorganisation aufbauen und das habe ich getan.“ („stern“, Ausgabe 23/2007).

Aldi Nord identifiziert sich mit den AUB-Zielen

Aldi Nord hatte im Zusammenhang mit der Geldvergabe an die AUB ebenfalls sehr konkrete Erwartungen. Zugegeben hat der Discounter  allerdings lediglich, die Personalkosten des ehemaligen Aldi-Betriebsrates (Hoyerswerda) und späteren Schelsky-Angestellten Mike Bubner „in Höhe eines durchschnittlichen Filialleiter-Jahresgehaltes“ übernommen zu haben. Bubner war lange Jahre für Schulung und Betreuung von Betriebsräten durch die AUB zuständig und führte noch im April 2008 in deren Namen ein Seminar durch.

„Mit den Zielen der AUB... konnte und kann (!) sich Aldi Nord als Arbeitgeber sehr gut identifizieren“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme des Discounters vom 9. April 2008. Aber: „Aldi Nord hat zu keinem Zeitpunkt Tätigkeiten von Betriebsräten beeinträchtigt oder Betriebsratswahlen beeinflusst.“

Das darf nicht nur bezweifelt werden, sondern ist schlicht falsch, wie zum Beispiel ein gegen den Betriebsrat in Schwelm (NRW) gerichtetes Strategiepapier zur Einführung längerer Geschäftszeiten zeigt. Es stammt aus der Essener Kanzlei des langjährigen Aldi-Anwalts Emil Huber, über den stets auch die verdeckten Zahlungen aus diesem Unternehmen an die AUB abgewickelt worden sind.

Vorschläge an die oberste Führungsebene

Das von Huber per Kürzel signierte Strategiepapier ist direkt an Geschäftsführer und Mitglieder des Verwaltungsrats, der Kommandozentrale von Aldi- Nord, gerichtet. Dabei geht es um eine „Aufklärungskampagne“ mit dem Ziel „Abwahl des BR im Jahr 2006, um dann, wenn ein neuer  BR gewählt ist, schließlich mit diesem die gewünschte Arbeitszeitänderung herbeiführen zu können“.

Das nachfolgend beschriebene Verfahren kommt vielen Aldi-Betriebsräten mit ver.di-Mehrheiten verdächtig bekannt vor: Der nicht Arbeitgeber-konforme Betriebsrat soll innerbetrieblich durch eine Handvoll williger Filialleiter, die auch heftige Diskussionen anzetteln, als Störer und arbeitsplatzgefährdend dargestellt werden.

Im Punkt 5 der Empfehlungen des Strategiepapiers heißt es schließlich: „Übernahme aller Aktivitäten durch die AUB“.

Strategiepapier orientiert auf Gesetzesverstöße

Hier ist ein eindeutiger Angriff auf das Betriebsverfassungsgesetz dokumentiert, ein Verstoß gegen gleich mehrere Bestimmungen des Paragraphen 119, der die Störung der Betriebsratstätigkeit und die Beeinflussung von Betriebsratswahlen unter Strafe stellt.

Doch Aldi Nord mag das so nicht gelten lassen. „Aus Arbeitgebersicht stellen sich die überwiegend konstruktiven und sachorientierten Lösungsansätze der AUB oftmals als überzeugend und zielführend dar“, heißt es in der Stellungnahme vom 9. April 2008.

„Aus diesem Grund haben wir uns auch Mitte der neunziger Jahre dazu entschieden, die Arbeit der AUB im legalen Rahmen zu unterstützen.“ Alles legal, wird behauptet, dennoch sei diese Unterstützung nach der Verhaftung Schelskys eingestellt worden.

Von der „Süddeutschen Zeitung“ direkt mit dem Strategiepapier konfrontiert, unternahm der Discounter Anfang April 2008 ein Ausweichmanöver: Dabei habe es sich lediglich um ein Planspiel gehandelt, das nie umgesetzt worden sei.

Diese Argumentation ist leicht durchschaubar, denn die Gedanken sind bekanntlich frei, während konkrete Gesetzesverstöße geahndet werden können.

Wie nach Drehbuch: Betriebsräte in Berlin gekippt

Doch ein Zitat aus dem Anti-Betriebsräte-Dokument belegt, dass die beschriebene Vorgehensweise sehr real ist und nicht nur ein Sandkastenspiel. Denn dort heißt es wörtlich und vom Aldi-Vertrauten Emil Huber abgezeichnet: „Die Frage ist deswegen, ob wir nicht – wie seinerzeit in Berlin – eine Gruppe von 4-5 loyal zum Unternehmen stehende FL für eine ,Aufklärungskampagne gegen den BR‘ aktivieren können.“

Genau so: Wie seinerzeit in Berlin! Am Aldi-Sitz im nördlichen Berlin sowie in der Regionalzentrale Großbeeren kurz hinter der südlichen Stadtgrenze wurde im Vorfeld der Betriebsratswahlen 2002 wie nach einem Drehbuch verfahren, das die AUB ins Spiel brachte:

Erst mündliche Stimmungsmache durch einige Filialleiter gegen die von ver.di-Mitgliedern geführten Betriebsräte. Dann auch Rundschreiben an alle Beschäftigten im Verkauf mit dem Tenor, die Gewerkschaftsleute würden angeblich Umsätze und Arbeitsplätze gefährden.

„Wer die Falschen wählt, muss mit weniger Geld rechnen“ – dieser und ähnliche Sprüche, für die heute niemand mehr verantwortlich sein will, machten schließlich die Runde. Im Ergebnis wurde das Kräfteverhältnis in den beiden Betriebsräten völlig gekippt und die AUB stellte die Mehrheiten.

Seither gibt es immer wieder Angriffe des Arbeitgebers auf Betriebsräte mit ver.di-Mitgliedschaft, die u.a. mit fadenscheinigen Begründungen abgemahnt werden.

Selbstreinigungsprozess und Neuanfang

Davon ist bei der AUB die Rede, seit am 28. Juli 2007 ein neuer Vorstand gewählt wurde. Sowohl Ingrid Brand-Hückstädt, die zurückgetretene langjährige Stellvertreterin von AUB-Chef Schelsky, als auch die „neuen Gesichter“ des Führungsgremiums betonten an diesem Tag und seither immer wieder, dass es keine Affäre AUB gebe, sondern nur eine Affäre Schelsky. Nur er habe die Finanzströme gekannt und den Haushaltsplan aufgestellt.

Die rund 500 Betriebsratsmitglieder, die nach offiziellen Angaben bis zu diesem Zeitpunkt aus der Organisation ausgetreten waren, sahen offenbar anders gelagerte Verantwortlichkeiten.

Neue Gesichter, alte Ziele

Ihren vermeintlichen Neuanfang macht die AUB auch an der Zusammensetzung des neuen Vorstands fest, der nicht mehr „Siemens-lastig“ sei. Vorsitzender ist jetzt der Hamburger Airbus-Betriebsrat Rainer Knoob und aus dem Handel ist dort der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats der Baumarktkette Hornbach, Kay Strelow, vertreten. „Wir brauchen auf jeden Fall einen neuen Namen, der alte ist verbraucht“, zitierte ihn die Presse Anfang April 2007.

Doch der GBR-Chef, der für die gelbe Gewerkschaft „DHV“ im Hornbach-Aufsichtsrat sitzt, konnte sich nicht durchsetzen, der Name ist derselbe geblieben. Und auch die Politik steht in der Kontinuität von AUB-Gründer Schelsky: Man betreibt „Aufklärung“ über ver.di und ihre Mitglieder, die als betriebsfremd bzw. fremdgesteuert diffamiert werden.

Im Zusammenhang mit der Aufdeckung des Aldi-AUB-Skandals greift auch der Schelsky-Nachfolger auf das Schema zurück, dass Kritik und unbequemes Auftreten nur Umsätze und Arbeitsplätze gefährde. „Will man deutsche Unternehmen, die zigtausend von Arbeitsplätzen stellen und ihre Mitarbeiter teilweise über Tarif bezahlen, gezielt in Misskredit bringen?“, empört sich Knoob in AUB-Intern, Ausgabe 41/2008.

Die antigewerkschaftliche Propaganda wird als „ideologiefrei“ verkauft, hört sich aber im Originalton des neuen Vorsitzenden so an: Ziel der AUB-Gegner sei es, „endlich freie, unkontrollierte Bahn für die Dominanz betrieblicher Mitbestimmung zu erreichen“. Da stellt sich die Frage, welche Dominanz Herr Knoob und die AUB gern möchten.

Bündnis mit „christlichen“ Dumping-Vereinen

Zur Aufsichtsratswahl 2008 bei der Daimler AG, Stuttgart hat er eine wichtige Antwort gegeben: Dort trat Knoob im März als AUB-Vertreter auf einer Liste mit der „Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM)“ und dem „DHV“ an.

Beides sind Splittergewerkschaften, die dem „Christlichen Gewerkschaftsbund – CGB“ angehören und Gefälligkeitstarifverträge mit Arbeitgebern abschließen. Zuletzt im Kfz-Gewerbe in Nordrhein-Westfalen bzw. beim Roten Kreuz in Sachsen.

In diesen „Tarifverträgen“ werden Dumping-Bedingungen für die Beschäftigten vereinbart – zum Beispiel längere Arbeitszeiten, kürzerer Urlaub und weniger Weihnachtsgeld.

Das Bündnis mit diesen Dumping-Organisationen deutet an, was die AUB-Spitze mit ihrer stets beschworenen „Philosophie unabhängiger Betriebsratsarbeit“ tatsächlich meinen könnte. Jedenfalls keine betriebliche Interessenvertretung im Sinne der Beschäftigten.

Autor: Andreas Hamann