Tarifpolitik

Mehr für alle!

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Tarifabschlüsse in Hessen, Bayern und SAT zeigen: Der Kampf lohnt sich
Streik am 1. Oktober 2021 bei Douglas in Neuss ver.di Handel NRW Streik bei Douglas in Neuss

5. Oktober 2021. In den Tarifrunden im Handel gibt es Bewegung und erste Abschlüsse. Wieder einmal zeigte sich, dass sich der gemeinsame Einsatz der Beschäftigten schließlich auszahlt.

Am gestrigen Montag, 4. Oktober, einigten sich ver.di und der Arbeitgeberverband in Bayern nach mehr als 100 Streikaktionen auf einen Tarifvertrag für die Beschäftigten des Groß- und Außenhandels im Freistaat. Sie erhalten rückwirkend zum 1. Oktober 2021 eine Entgelterhöhung von 3 Prozent. Zum 1.4.2022 werden die Gehälter um weitere 1,7 Prozent steigen. Die Vergütung der Auszubildenden wird 2021 um 30 Euro und 2022 um 20 Euro angehoben. Der neue Tarifvertrag hat eine Laufzeit von 24 Monaten.

Der Mut der Kolleg*innen war entscheidend, dass wir auch wieder einen wichtigen Schritt gegen die drohende Altersarmut gemacht haben.

Thomas Gürlebeck, ver.di Bayern

„Dass wir in dieser harten und sehr langen Tarifauseinandersetzung ein solches Ergebnis erzielen konnten, ist nur dem engagierten, ausdauernden und mutigen Tarifkampf der Menschen in den Streikbetrieben zu verdanken. Der Mut der Kolleg*innen war entscheidend, dass wir auch wieder einen wichtigen Schritt gegen die drohende Altersarmut gemacht haben. Es ist aber noch ein langer Weg, um die drohende Altersarmut zu besiegen“, erklärt ver.di-Verhandlungsführer Thomas Gürlebeck.

Schon in der vergangenen Woche konnte in Hessen der erste Abschluss für den Einzel- und Versandhandel erkämpft werden. Die Einigung umfasst eine Lohnerhöhung um 3,0 Prozent rückwirkend zum 1. August 2021 und eine weitere Erhöhung um 1,7 Prozent ab dem 1. April 2022 bei einer Vertragslaufzeit vom 1. April 2021 bis zum 31. März 2023. Die Ausbildungsvergütungen werden in jedem der beiden Tarifjahre und in jedem der Ausbildungsjahre um 30 Euro erhöht; das ist eine Steigerung zwischen 2,5 und 3,0 Prozent.

Dieser Abschluss ist hart erkämpft worden und nur durch die Entschlossenheit der vielen Beschäftigten möglich geworden, die während der monatelangen Tarifauseinandersetzung immer wieder für gerechtere Löhne auf die Straße gegangen sind. Nötig war schließlich auch ein dreitägiger Verhandlungsmarathon in der sechsten Verhandlungsrunde, an dessen Ende schließlich das Einlenken der Unternehmen stand.

Wichtig war für uns auch, dass die von den Unternehmern bis zuletzt geforderte „Differenzierung“ zwischen Unternehmen, die „gut“ oder „schlecht“ durch die Pandemie gekommen sind, abgewehrt wurde. Wäre es nach den Arbeitgeberverbänden gegangen, wären die Beschäftigten im Nicht-Lebensmittel-Einzelhandel praktisch leer ausgegangen. Jetzt gibt es für alle mehr!

Das gilt auch für die Kolleginnen und Kollegen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen (SAT). Am vergangenen Wochenende einigten sich die Tarifparteien in Mitteldeutschland darauf, die Löhne und Gehälter bis zum Verkäuferinnenendgehalt zum 1. Oktober 2021 um drei Prozent zu erhöhen. Alle Gruppen darüber bekommen 79,98 Euro mehr. Zum 1. Juni 2022 gibt es für alle Gruppen eine weitere Erhöhung von 1,7 Prozent. Die Ausbildungsvergütungen werden jeweils zum 1. September um 30 Euro erhöht.

Ohne die massiven Streiks hätten wir dieses Ergebnis nicht erreicht.

Jörg Lauenroth-Mago, ver.di SAT

ver.di Verhandlungsführer Jörg Lauenroth-Mago würdigte den Einsatz der Kolleginnen und Kollegen: „Ohne die massiven Streiks hätten wir dieses Ergebnis nicht erreicht.“ So hatten am 29. September die Kolleg*innen von Kaufland in Suhl und in Hildburghausen die Arbeit niedergelegt, am 30. September dann Beschäftigte von Ikea, Kaufland und Primark in Dresden. Besonders stürmisch wurde der Herbst zudem in Thüringen, als am Freitag, dem 1. Oktober, mehr als 200 Streikende aus 14 Betrieben in Erfurt streikten und durch die Stadt demonstrierten. Zeitgleich setzten in Sachsen rund 50 Kolleg*innen von Ikea und Primark in Dresden sowie Kaufland in Nickern und Strehlen ihren am Donnerstag begonnenen Ausstand fort.

Allerdings lehnen die Unternehmer weiter die Allgemeinverbindlichkeitserklärung für die Tarifverträge ab. „Wir werden aber trotzdem als Gewerkschaft den Antrag zur Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit beim Arbeitsministerium stellen“, so Lauenroth-Mago. Allerdings verlangt das Gesetz einen gemeinsam von beiden Seiten gestellten Antrag. Gegen diese faktische Vetomacht der Kapitalseite wehrt sich ver.di und fordert eine Gesetzesänderung.

„Neben der Freude über den Abschluss bleibt aber der Verdruss, dass die Arbeitgeberseite auch kleinste Angleichungsschritte an das Westniveau abgelehnt hat. Da werden wir dranbleiben“, so Lauenroth-Mago abschließend.

Aktion der ver.di-Jugend SAT am 25. September 2021 vor der Penny-Filiale in Erfurt ver.di Jugend SAT Aktion der ver.di-Jugend SAT vor der Penny-Filiale in Erfurt

Nach den Tarifabschlüssen in Hessen und SAT fordern wir den „Handelsverband Deutschland“ (HDE) auf, dem Abschluss von Tarifverträgen im ganzen Bundesgebiet nicht länger im Weg zu stehen. „Wir erwarten, dass die regionalen HDE-Verbände jetzt in den anderen Tarifgebieten den Abschluss zügig nachvollziehen, aber auch die speziellen Forderungen der Tarifgebiete lösungsorientiert zum Abschluss bringen. Der HDE und seine regionalen Verbände sind jetzt aufgefordert, gemeinsam mit der Tarifgewerkschaft ver.di die Flächentarifverträge bei den zuständigen Ministerien für allgemeinverbindlich erklären zu lassen. Denn Tarifflucht und ein Wettbewerb, der über Billiglöhne und auf den Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird, ist kein Modell für die Zukunft der Branche“, so Orhan Akman, Leiter ver.di-Bundesfachgruppe Einzel- und Versandhandel.

Der Kampf geht weiter!

In den anderen Bundesländern gehen die Tarifrunden weiter. So streikten am Freitag fast 200 Beschäftigte im Rewe-Logistikzentrum in Nossen und brachten den Nachschub für Rewe- und Penny-Filialen ins Stocken. Am 2. Oktober gab es vor dem Marktkauf in Chemnitz-Röhrsdorf schließlich noch eine besondere Aktion der ver.di-Jugend mit Unterstützung von Streikenden aus Betrieben von Kaufland und Netto. Dabei machten sie unter dem Motto „Tatort Einzelhandel – Arbeiten bis zum Umfallen“ auf die belastenden Arbeitsbedingungen im Einzelhandel aufmerksam.

Druck auf die Unternehmen wurde auch in NRW gemacht: Dort streikten im Verlauf der letzten Woche, teils mehrere Tage lang, u. a. Beschäftigte von Sonepar Holzwickede, EKN Schnellkauf in Viersen, Handelshof in Köln Poll, H&M in Minden, Bonn Bad Godesberg und Köln Schildergasse, Wera Werkzeuge und Sanacorp Düsseldorf, Kaufland Bergisch Gladbach und Menden, Edeka Foodservice in Minden sowie Marktkauf in Bielefeld Gadderbaum, Lage und Lemgo. Ein nachdrückliches Zeichen der Geschlossenheit setzten insbesondere die Beschäftigten von Douglas. Denn zahlreiche Beschäftigte unterschiedlicher Filialen, darunter z. B. Viersen und Neuss, kamen zu einer zentralen Streikaktion vor der Unternehmenszentrale in Düsseldorf zusammen und machten dort gemeinsam deutlich: „Keine Arbeit unter Wert!“ Hierzu reisten nicht nur Delegationen aus ganz NRW, sondern auch aus Hessen und Bayern an. Stark!


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