Die Arbeitgeber mauern! In einigen Bundesländern kämpfen Beschäftigte bereits seit über sechs Monaten für mehr Geld. Die Reaktion der Arbeitgeberseite ist und bleibt unerfreulich: sie blocken. Sie reden die Inflation klein, preisen die eigenen Angebote hoch und zeigen auch sonst wenig Verständnis für die Lebensrealität ihrer Angestellten. Die Beschäftigten sind zurecht sauer! Und so geht es weiter auf die Straße. Bis klar ist: Ohne uns kein Handel!
Streikherbst, wir kommen!
Am Donnerstag, den 05. Oktober 2023, gingen die Tarifverhandlungen für die rund 240.000 Beschäftigten im bayerischen Groß- und Außenhandel in die siebte Verhandlungsrunde. Seit mehr als sechs Monaten kämpfen tausende Beschäftigte im bayerischen Groß- und Außenhandel entschlossen und beherzt in bisher über 500 Streikaktionen gegen diese noch nie dagewesene Blockadehaltung der Arbeitgeber. Zu Recht erwarten die Beschäftigten, dass die Arbeitgeber ihre Blockade aufgeben und ein abschlussfähiges Angebot unterbreiten.
„Die Arbeitgeber weigern sich seit Monaten ihr schlechtes und viel zu niedriges Angebot nachzubessern. Dabei ignorieren sie zudem in einer schon fast zynischen Art und Weise die Lebenssituation der Kolleg*innen in den Betrieben. Durch die anhaltenden hohen Lebenshaltungskosten erhöht sich für die Kolleg*innen Monat für Monat massiv der finanzielle Druck. Die Geduld der Kolleg*innen ist längst aufgebraucht und der Ärger und die Wut auf die Arbeitgeber werden immer größer. Die Beschäftigten brauchen dringend hohe tabellenwirksame Erhöhungen, um die andauernden Reallohnverluste wirksam bekämpfen zu können. Die Arbeitgeber sind nicht nur gefordert ein verhandlungsfähiges Angebot vorzulegen, vielmehr ist es ihre Verantwortung für die Beschäftigten den Tarifkonflikt durch ein abschlussfähiges Angebot zu beenden“, sagte Thomas Gürlebeck, ver.di Verhandlungsführer für den Großhandel.
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) rief die Beschäftigten vom Edeka Foodservice in Chemnitz ab dem 5. Oktober 2023 zum Streik auf. Der Ausstand soll mehrere Tage andauern. Zeitgleich streiken die Kolleginnen und Kollegen beim Edeka Foodservice in Dresden.
„Die Kolleginnen und Kollegen im Großhandel sind sehr verärgert über die Hinhaltetaktik der Arbeitgeber, fünf Monate im Tarifkampf und noch kein angemessenes Angebot der Arbeitgeber. Zwischen Angebot und Forderungen klaffen noch Lichtjahre, deshalb müssen wir streiken. Die Beschäftigten benötigen eine kräftige tabellenwirksame Entgelterhöhung um die enorm gestiegenen Lebenshaltungskosten zu stemmen und das möglichst schnell“, erklärt Sylke Hustan, ver.di Verhandlungsführerin im Großhandel in Sachsen.
Die nächste Tarifverhandlung findet am 23. Oktober 2023 statt.
Von Freitag, den 06. Oktober 2023 bis Montag, den 09. Oktober 2023 ruft die ver.di die Beschäftigten der folgenden Betriebe im Groß- und Außenhandel in Ostwestfalen-Lippe zum Streik auf:
Die Kolleg*innen treffen sich am 06. Oktober 2023 um 11 Uhr zum Streikfrühstück im Restaurant Seekrug am Obersee in Bielefeld, tauschen sich zum Stand der Tarifrunde aus und planen weitere Streikaktionen.
„Obwohl der Tarifvertrag im Groß- und Außenhandel bereits Ende April ausgelaufen ist, haben die Arbeitgeber auch in der 6. Verhandlungsrunde kein neues Angebot vorgelegt. Sie sprechen von fairen Kompromissen, bleiben aber bei ihrem Angebot, das nicht mal die Inflation ausgleicht,“ erklärt die zuständige Gewerkschaftssekretärin Sarah Bauer. „Deshalb ist die Streikbereitschaft ungebrochen und es treten auch weitere neue Betriebe in den Streik,“ so Bauer weiter.
Die REWE-Group spielt bundesweit im Handel eine herausragende Rolle. Das Unternehmen ist in Hessen nicht bloß der größte Einzelhändler mit einem Hunderte von Filialen zählenden Netz. Dieser wirtschaftlichen Position entsprechend führen REWE-Manager die Tarifverhandlungen sowohl für den Einzel- und Versandhandel als auch für den Groß- und Außenhandel/Verlage. „Deshalb konzentrieren wir unsere Streiks und einen hessenweiten Protest am 5. Oktober gerade auf diesen ‚Big Player‘ der Branche“, erklärt Marcel Schäuble, Landesfachbereichsleiter Handel der ver.di Hessen und Verhandlungsführer für den hessischen Einzel- und Versandhandel, sowie Groß- und Außenhandel/Verlage: „Wir nehmen die Geschäftsleitung der Region Mitte mit Sitz in Rosbach ganz konkret in die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass die festgefahrenen Tarifverhandlungen schnellstens wieder in Bewegung kommen. Denn letztlich ist es die Entscheidung der Spitzenmanager*innen der Handelsunternehmen und ihres hessischen Handelsverbandes, ob sie sich weiterhin an ihr unannehmbares, weil wirklichkeitsfremd und den Bedürfnissen der Beschäftigten widersprechenden Angebot klammern oder – sich endlich den tatsächlichen Verhältnissen in den Familien mit seit mehr als anderthalb Jahren explodierenden Lebenshaltungskosten stellen. Dies wollen wir mit den Streiks und der ‚Belagerung‘ der REWE-Zentrale erreichen. Die Arbeitgeber*innen müssen ihre Blockade aufgeben!“
Die Beschäftigten im Handel stehen seit Wochen in ausgewählten Betrieben immer wieder für Warnstreiks vor den Türen der Geschäfte oder Läger und kämpfen für faire Löhne und Gehälter. Die Tarifverträge für Einkommen sind im Saarland bereits Ende März und in Rheinland-Pfalz Ende April ausgelaufen. Trotz mehrerer Verhandlungsrunden im Einzel- und Versandhandel und im Groß- und Außenhandel waren Tarifeinigungen nicht möglich, weil die Arbeitgeber keine Verhandlungsfähigen Angebote vorbrachten.
Um die Beschäftigten ruhig zu stellen und die Streiks einzudämmen hat jetzt hat der Arbeitgeberverband des Einzelhandels eine Verbandsempfehlung an seine Mitglieder ausgegeben, die eine Erhöhung der Einkommen der Beschäftigten von 5,3 % ab dem 01. Oktober 2023 vorsieht, das entspricht bei einer Verkäuferin in der letzten Stufe mal gerade 91 Cent je Arbeitsstunde. Die ver.di-Tarifkommission hat eine Erhöhung der Stundenentgelte von 2,50 Euro gefordert.
Im Großhandel werden derzeit die Einkommen um 5,1 % erhöht, was einer Erhöhung von 93 Cent je Arbeitsstunde entspricht.
„Damit lassen sich die Beschäftigten im Handel nicht abspeisen. Sie benötigen dringend nachhaltige und damit existenzsichernde Einkommenserhöhungen. Derzeit ist die Situation so, dass viele Kolleginnen und Kollegen zum Monatsende nicht mehr wissen, wie sie noch Essen für ihre Familien kaufen oder zur Arbeit kommen sollen. Die extrem angestiegenen Preise, gerade bei den Lebensmitteln, fressen das Einkommen fast gänzlich auf“, so Monika Di Silvestre, ver.di-Verhandlungsführerin für den Handel im Saarland und in Rheinland-Pfalz.
Die nächste Verhandlung für den Einzelhandel in Rheinland-Pfalz findet am 16. Oktober 2023 statt.
Ungefähr 300 Kolleginnen und Kollegen aus Neumünster und den umliegenden Bezirken folgten dem Aufruf der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft und beteiligten sich an einem starken Streiktag. Die sowohl im Groß- als auch im Einzelhandel beschäftigten Kolleginnen und Kollegen trafen sich um 9.30 Uhr in der Weserstraße vor dem Edeka-Lager.
Nach einer Begrüßung von Elisa Brummel, sprach Susanne Schöttke, ver.di Landesbezirksleiterin, und zollte den Streikenden für ihr Durchhaltevermögen Respekt – die Tarifrunde läuft bereits seit Mai. Zusammen mit Mitgliedern der Tarifkommissionen im Handel im Norden schilderte ver.di-Verhandlungsführer Bert Stach die Lage bei den Verhandlungen. Dabei appellierte er direkt an den Verhandlungsführer der Arbeitgeberseite, der seinen Dienstsitz in dem Edeka-Lager hat, sich endlich zu bewegen. Die Verhandlungsabsage der Arbeitgeber im Groß- und Außenhandel kritisierte er scharf: „Wir sind verhandlungsbereit, aber wie sollen wir zu einem Ergebnis kommen, wenn die Arbeitgeber die Verhandlungen einseitig absagen?“ Corinna Groß, die neue Bundesfachgruppenleiterin für den Einzelhandel, war aus Berlin angereist um den Streik zu unterstützen. Sie berichtete von der bundesweiten Streikbewegung im Handel und machte deutlich, dass ver.di nach sehr lange durchhalten und weiterstreiken kann! Den zeitgleich in Hamburg streikenden Kolleginnen und Kollegen wurde ein lauter Gruß gesandt, der bestimmt bis an die Elbe zu hören war.
Der Demozug rund um das Edeka-Lager war laut: „Ohne uns kein Handel“ und „Heute ist kein Arbeitstag – heute ist ein Streiktag“ war deutlich zu hören.
Nach der Demo folgten noch Beiträge von Manuel Gellenthin, dem Bezirksgeschäftsführer aus Kiel und vom DGB-Regionsgeschäftsführer Frank Hornschu, der die solidarischen Grüße der DGB-Gewerkschaften überbrachte und feststellte: „Eure Forderungen sind nicht nur berechtigt, sondern auch angemessen!“ Auch Beschäftigte aus benachbarten Betrieben unterstützten den Streik solidarisch.
„Das war absolut das richtige Zeichen, auch bei Edeka Paroli zu bieten. Das war der sinnvollste Warnstreik, den wir bisher gemacht haben“, fasste einer der Teilnehmer seine Eindrücke zusammen.
In der seit Mai andauernden Tarifrunde im Großhandel in Schleswig-Holstein setzten die Kolleginnen und Kollegen beim Kunststoffhändler thyssenkrupp Plastics am Freitag, den 29.09.2023 ein deutliches Zeichen und folgten mit großer Zahl dem Streikaufruf der Gewerkschaft ver.di.
In der seit Mai andauernden Tarifrunde im Großhandel in Schleswig-Holstein setzten die Kolleginnen und Kollegen beim Kunststoffhändler thyssenkrupp Plastics am Freitag, den 29.09.2023 ein deutliches Zeichen und folgten mit großer Zahl dem Streikaufruf der Gewerkschaft ver.di.
Während sich die Streikenden heute früh zum Streikfrühstück vor dem Haupteingang versammelten, stand in der Produktionshalle am Standort in Tornesch beinahe alles still. Der Streikaufruf für die Beschäftigten von thyssenkrupp Plastics in Tornesch gilt bis einschließlich Montag, den 2. Oktober.
In der aktuellen Tarifrunde legen die Arbeitgeber seit mehreren Wochen kein neues Angebot vor, sondern bieten weiterhin nur eine Entgeltsteigerung von 5,1% in 2023 und 2,9% in 2024 an, die einen Reallohnverlust für die Beschäftigten würde. Nun wurde auch der nächste geplante Verhandlungstermin für den 4. Oktober arbeitgeberseitig kurzfristig abgesagt. Mit der Arbeitsniederlegung bei thyssenkrupp Plastics reiht sich ein weiterer Betrieb in die landeweiten Streiks ein und erhöht so den Druck auf die Arbeitgeberseite in dieser Tarifrunde nun endlich ein angemessenes Angebot vorzulegen.
Am Mittwoch, den 27. September 2023 folgten über 60 Beschäftigte des Lidl Lagers in Wasbek dem Aufruf der Gewerkschaft ver.di zum ganztätigen Streik. Ab 5 Uhr und den gesamten Vormittag verliehen die Kolleginnen und Kollegen direkt vor dem Lager in Wasbek den Tarifforderungen nach einer deutlichen Lohn- und Gehaltserhöhung Ausdruck. Das Lidl Lager wurde das erste Mal seit Jahren überhaupt wieder bestreikt.
Für die Beschäftigten des Lidl Lagers gilt der Tarifvertrag des Einzelhandels. ver.di fordert in der aktuellen Tarifrunde eine Erhöhung der Löhne und Gehälter um 2,50 Euro pro Stunde.
Und auch in Neumünster wurde wieder gestreikt. Am Donnerstag, den 28. September 2023 beteiligten sich bei der Bela ebenfalls über 60 Kolleginnen und Kollegen am Streik und legten um 8:00 Uhr ihre Arbeit nieder. Deutlich spürbar war der Unmut über den Arbeitgeberverband für den Groß- und Außenhandel AGA, der den nächsten Verhandlungstermin am 4. Oktober einseitig abgesagt hat. „Wenn wir eine Lösung im Tarifkonflikt erreichen wollen, müssen wir am Verhandlungstisch zusammenkommen. Offensichtlich wollen die Arbeitgeber keine Lösung, sondern die Tarifrunde auf dem Rücken der Beschäftigten noch weiter in die Länge ziehen“, so Elisa Brummel, Streikleiterin in Neumünster. Die Beschäftigten des Bela Lagers werden ihren Streik noch bis einschließlich Montag, den 2. Oktober fortführen. Für die Kolleginnen und Kollegen im Großhandel fordert ver.di 13% mehr Lohn und Gehalt.
Dass so viele Kolleginnen und Kollegen an den beiden Lagerstandorten dem Streikaufruf gefolgt sind, ist ein deutliches Signal an die Unternehmen und die beiden Arbeitgeberverbände HDE und AGA. In den aktuellen Verhandlungen fordert ver.di gemeinsam mit den Beschäftigten, dass die Arbeitgeber endlich ein Angebot vorzulegen, das den Beschäftigten eine angemessene Entgeltsteigerung zusichert und der angespannten finanziellen Lage vieler angesichts der Preissteigerungen gerecht wird.
Die nächsten Verhandlungen im Einzelhandel sind für Anfang November terminiert, der neue Termin für den Großhandel steht aktuell noch aus. Werden auch bei diesen Verhandlungen keine Einigungen erzielt, werden weitere Streiks folgen.