Tarifpolitik

Es regnet Tarifabschlüsse

Es regnet Tarifabschlüsse

Tarifrunden im Einzel- und Versandhandel fast überall abgeschlossen. Verhandlungen im Groß- und Außenhandel gehen in die Endphase
Ab dem 19. Oktober 2021 streikten die Beschäftigten bei Netto und im Norma-Zentrallager in Regensburg ver.di Handel Bayern Streik bei Netto und Norma-Zentrallager in Regensburg

25. Oktober 2021. Während in immer mehr Bundesländern Tarifverträge für den Einzel- und Versandhandel sowie für den Groß- und Außenhandel unterzeichnet werden, geht der Arbeitskampf anderswo noch weiter. Starke Streikaktionen über das gesamte Land verteilt zeigen nach wie vor, dass die Kolleginnen und Kollegen bereit sind, für angemessene Tarifverträge zu kämpfen - auch bei Wind und Regen!

Im Einzel- und Versandhandel haben die Beschäftigten für das laufende Jahr eine Lohnsteigerung um 3,0 Prozent erkämpft, im kommenden Jahr folgen noch einmal 1,7 Prozent. Die von den Unternehmern geforderte „Differenzierung“ konnte überall abgewehrt werden. Das bedeutet: Es gilt für alle ein einheitlicher Tarif, die Bezahlung darf nicht unternehmensabhängig sein. Die Laufzeit beträgt meist 24 Monate, die nächsten Tarifrunden stehen also 2023 an.

Klar ist auch, dass wir über 30 Jahre nach der Wiedervereinigung die Schlechterstellung der Kolleginnen und Kollegen, die zufällig auf ehemaligen DDR-Gebiet arbeiten, nicht weiter akzeptieren werden.

Conny Weißbach, ver.di Berlin-Brandenburg

Nachdem in Berlin und Brandenburg am 19. Oktober der Durchbruch für 219.000 Beschäftigte im Einzel- und Versandhandel gefeiert werden konnte, schaut ver.di-Verhandlungsführerin Conny Weißbach bereits in die Zukunft: „Die Beschäftigten im Einzelhandel in Berlin und Brandenburg haben einen starken eigenen Gestaltungswillen. Daher werden wir schon in den kommenden Monaten darauf drängen, dass wir in Zukunft parallel zu den anderen Tarifgebieten verhandeln wollen, um stärker eigene regionale Akzente setzen zu können. Klar ist auch, dass wir über 30 Jahre nach der Wiedervereinigung die Schlechterstellung der Kolleginnen und Kollegen, die zufällig auf ehemaligen DDR-Gebiet arbeiten, nicht weiter akzeptieren werden. Hier sehen wir die Arbeitgeber klar in der Pflicht, die Diskriminierung der Ost-Beschäftigten durch die wöchentliche Mehrarbeit von einer Stunde endlich abzuschaffen.“

Am 21. Oktober gab es auch in Schleswig-Holstein endlich den Durchbruch in den Tarifverhandlungen für die 90.00 Kolleginnen und Kollegen im Einzelhandel. Verhandlungsführerin Heike Lattekamp zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis: „Der erkämpfte Abschluss gilt für alle Beschäftigten des Einzelhandels, unabhängig davon, wo sie arbeiten. Erneut konnten wir eine überproportionale Erhöhung für die unteren Entgeltgruppen erreichen. Das ist ein großer Erfolg“. Einen Tag später folgte der bayerische Einzelhandel. „Der Tarifabschluss ist der Erfolg unserer seit Mai kämpfenden Kolleginnen und Kollegen, die mutig und ausdauernd für Entgelterhöhungen gestreikt haben. Höhere Tarifeinkommen sind für die Beschäftigten immer auch ein Zeichen von Respekt und Wertschätzung für die geleistete Arbeit und ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Altersarmut“, erklärte Hubert Thiermeyer, ver.di Verhandlungsführer in Bayern.

Dieses Ergebnis ist ein akzeptabler Kompromiss für beide Seiten und die Beschäftigten bekommen endlich mehr Geld ins Portemonnaie

Monika Di Silvestre, ver.di Rheinland-Pfalz

Am Montag, 25. Oktober, konnte sich Monika Di Silvestre, ver.di-Verhandlungsführerin in Rheinland-Pfalz, über den Abschluss freuen. „Damit geht nach über sechs Monaten eine der schwierigsten Tarifverhandlungen im Einzel- und Versandhandel in Rheinland-Pfalz zu Ende. Angesichts der pandemiebedingt schwierigen Lage ist dieses Ergebnis ein akzeptabler Kompromiss für beide Seiten und die Beschäftigten bekommen endlich mehr Geld ins Portemonnaie und damit die Anerkennung für das, was sie tagtäglich leisten,“ erklärte sie. Im Saarland hatte es schon am 21. Oktober einen Abschluss gegeben.

Nur in Mecklenburg-Vorpommern lässt der Tarifabschluss für den Einzel- und Versandhandel noch auf sich warten, deshalb machen die Kolleginnen hier weiter Druck. Am Montag, 18. Oktober, streikten die REWE-Filialen in Schwerin und am Freitag, 22. Oktober, die Beschäftigten von Kaufland in Neustrelitz.

Noch einiges zu tun im Groß- und Außenhandel

Auch im Groß- und Außenhandel gibt es erste Abschlüsse. In Hamburg konnte kurz vor dem vergangenen Wochenende der Sack zugemacht werden. Rückwirkend zum 1. Oktober steigen die Löhne und Gehälter um drei Prozent, am 1. April 2022 kommen noch einmal 1,7 Prozent oben drauf. Die Auszubildenden bekommen rückwirkend zum 1. August 2021 eine Erhöhung um 30 Euro, ab dem 1. August 2022 kommen noch einmal 20 Euro drauf. Sehr ähnliche Abschluss gab es bereits für den Groß- und Außenhandel in Berlin und Brandenburg, Baden-Württemberg, Niedersachsen-Bremen. Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Rheinhessen.

Bei der Verhandlungsrunde des genossenschaftlichen Großhandels in Bayern konnte dagegen – anders als im allgemeinen Großhandel – zunächst keine Einigung erzielt werden. Dort machten die Kolleginnen und Kollegen von Netto und dem Norma Zentrallager in Regensburg noch einmal ordentlich Druck. Denn klar ist: Ohne uns gibt es auch in Bayern keinen Handel. Der Arbeitskampf geht weiter, bis das die Unternehmer dort ebenfalls verstanden haben.

Auch in Sachsen sind die Kolleginnen und Kollegen entschlossen, in den Verhandlungen an die Erfolge der anderen Bundesländer anzuknüpfen. Am 19. Oktober legten erst die Beschäftigten von Lekkerland in Borna die Arbeit nieder, zwei Tage später folgte die Belegschaft der Metro Chemnitz-Röhrdorf.