Abschluss Tarifrunde Einzelhandel: Jeder Euro hart erkämpft

© Christian von Polentz
Streikende am 28. März 2024 in Berlin
22.07.2024

Mit dem Abschluss in Berlin und Brandenburg in der Nacht zum 4. Juli 2024 haben wir auch im letzten Tarifgebiet in Einzelhandel einen Tarifvertrag erreicht. "Damit stehen nach einer der härtesten Tarifrunden unsere Kolleg*innen bundesweit wieder unter dem Schutz rechtsverbindlicher Tarifverträge", sagte Silke Zimmer, für den Handel zuständiges Mitglied im ver.di-Bundesvorstand. "Jeder Euro und jedes Prozent in diesem Abschluss sind hart erkämpft." Sie bedanke sich ausdrücklich "bei den aktiven Beschäftigten in den Betrieben, die die neuen Tarifverträge mit Aktionen und Streiks erstritten haben“. 

Insgesamt bedeuten die Abschlüsse für eine Verkäuferin in Vollzeit in allen Tarifgebieten rund 400 Euro mehr in der Tasche. Dazu gehört eine 40-prozentige Erhöhung der tariflichen Altersvorsorge. Über die gesamte Laufzeit beträgt die Erhöhung inklusive der verbesserten tariflichen Altersvorsorge rund 14 Prozent. Der Einzelhandel ist geprägt von oft sehr niedrigen Löhnen und Teilzeitarbeit. Nicht nur deshalb haben die Beschäftigten so hartnäckig für ihre Tarifabschlüsse gestritten. „Das ist ein wichtiger Beitrag, um die vielen Beschäftigten im Handel vor Altersarmut zu schützen, was im Einzelhandel insbesondere viele Frauen betrifft“, so Zimmer weiter.

Durchbruch nach Druck auf der Straße

Wegen der lange feststeckenden Verhandlungen hatte ver.di im Frühjahr bundesweit zu mehreren Aktionswochen und erneuten Warnstreiks aufgerufen. Schließlich gaben die Arbeitgeber ihre Verweigerungshaltung auf und vereinbarten neue Verhandlungstermine. Der Durchbruch erfolgte am 8. Mai in Hamburg. Nach zähem Ringen und stundenlangen Verhandlungen gab es ein Tarifergebnis, dem die Hamburger Tarifkommission einstimmig zustimmte. Konkret beinhaltet der Hamburger Abschluss, der als Basis für die anderen Bundesländer diente:

  • 5,3 Prozent mehr Geld ab Oktober 2023,
  • 4,7 Prozent mehr ab Mai 2024,
  • monatlich 40 Euro plus 1,8 Prozent mehr ab Mai 2025 sowie
  • eine Erhöhung der tariflichen Altersvorsorge um von 300 auf 420 Euro jährlich ab Januar 2025.

Insgesamt ergibt das eine Erhöhung von rund 14 Prozent, auf die es mit einer anrechnungsfreien Inflationsausgleichsprämie von 1000 Euro (Teilzeitkräfte anteilig) ein weiteres Plus gibt. Die Laufzeit des neuen Tarifvertrages beträgt 36 Monate.

Uns erreichten nach dem Hamburger Abschluss - und auch nach den Abschlüssen in den anderen Bundesländern - viele Fragen. Die häufigsten Fragen und die Antworten darauf haben wir an dieser Stelle für euch noch einmal in einem FAQ zusammengestellt. Die Tarifinfos zu den Abschlüssen in allen Tarifgebieten findet ihr hier.

 

  • Was genau beinhaltet der Hamburger Abschluss?

    Ab Oktober 2023 bekommen die Kolleg*innen 5,3 Prozent mehr Geld monatlich, ab Mai 2024 kommen noch einmal 4,7 Prozent dazu, und ab Mai 2025 sind es weitere 40 Euro mehr für Vollzeitkräfte, Teilzeitkräfte anteilig, und noch einmal 1,8 Prozent mehr für alle. Eine Inflationsausgleichsprämie von 1.000 Euro und eine Erhöhung der tariflichen Altersvorsorge um 120 Euro – ein Plus von 40 Prozent – pro Jahr ab 1. Januar 2025, jeweils anteilig für Teilzeitkräfte, kommen noch obendrauf.

     


  • Was bringt der Abschluss für die Auszubildenden?

    Die Ausbildungsvergütungen werden überproportional erhöht, ebenfalls in drei Schritten über die gesamte Laufzeit. Die Inflationsausgleichsprämie beträgt 500 Euro. Dazu kommt die Anhebung der tariflichen Altersvorsorge um 60 Euro im Jahr.

     


  • Warum kriegen Teilzeitkräfte die Inflationsausgleichsprämie nur anteilig?

    An der Stelle waren die Arbeitgeber komplett unbeweglich. ver.di hatte für alle die gleiche Inflationsausgleichsprämie gefordert. Erreicht werden konnte, dass die Prämie in Hamburg nicht auf bisherige Zahlungen angerechnet wird und höher ausfällt als von den Arbeitgebern anfangs angeboten.

     

  • Die Laufzeit ist mit 36 Monaten sehr lang. Musste das sein?

    Leider ja. Die Tarifkommission in Hamburg wollte eine deutlich kürzere Laufzeit. Aber für die Arbeitgeber war die lange Laufzeit ein zentrales Thema. An der Stelle haben sie sich komplett verweigert und haben damit gedroht, die Verhandlungen abzubrechen. Um nicht wieder ohne Tarifergebnis auseinanderzugehen, musste diese Kröte geschluckt werden.

     


  • Warum gibt es nicht rückwirkend bis 2023 mehr Geld?

    Es gibt rückwirkend ab Oktober 2023 mehr Geld – nach fünf Nullmonaten. Die Arbeitgeber wollten die erste tabellenwirksame Erhöhung ab dem 1. Januar 2024 zahlen – also acht Nullmonate. Durch die Hartnäckigkeit der Kolleg*innen in der Tarifkommission und der Streikenden ist der Stichtag jetzt der 1. Oktober 2023.

     


  • Wie hoch ist die Gesamtlohnsteigerung in Prozent?

    Für eine*n Kolleg*in in der im Tarifvertrag festgelegten Ecklohngruppe in Hamburg (G2a, ab dem sechsten Berufsjahr) bedeutet der Abschluss 13,67 Prozent mehr. Unterhalb des Ecklohns sind es wegen der 40 Euro ab Mai 2025 noch ein paar Prozente mehr.

     


  • Ist das insgesamt ein guter Abschluss?

    Was zählt ist: Bundesweit stehen die Beschäftigten nach einer der härtesten Tarifrunden im Einzelhandel wieder unter dem Schutz eines rechtsverbindlichen Tarifvertrags. Wie jedes Verhandlungsergebnis ist der Abschluss, der zuerst in Hamburg erzielt wurde, ein Kompromiss. Der Tarifabschluss ist nachhaltig, denn jedes Prozent, dass auf die Tabelle kommt, bedeutet Geld, das den Beschäftigten in Zukunft nicht mehr weggenommen werden kann und das sich durchs gesamte Erwerbsleben und durch die gesamte Rente hindurch für die Kolleg*innen rechnet.

     


  • Der Abschluss vom 8. Mai galt zunächst für das Tarifgebiet Hamburg. Und was passierte dann?

    Mit der letzten Einigung in Berlin und Brandenburg am 4. Juli konnten wir Abschlüsse in allen Tarifgebieten durchsetzen. Die Tarifrunde 2023 im Einzelhandel ist damit abgeschlossen. Die Tarifinfos aus den ver.di Landesbezirken findet Ihr hier.